Fluorsilikon (FVMQ)

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07.02.2022

 

Silikon ist nicht nur in der Bevölkerung der vermutlich bekannteste Elastomer-Werkstoff, sondern wird aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften auch vielfach in verschiedenen Industrien und der Medizin eingesetzt. Eine große Stärke von Silikonkautschuk ist seine Beständigkeit sowohl bei sehr kalten als auch sehr heißen Temperaturen.

In Anwendungsfällen, die eine Beständigkeit gegenüber Benzin, Kraftstoff oder Öl erfordern, wird gerne auf die Elastomere NBR oder FKM zurückgegriffen. Die beiden Kautschuke besitzen jedoch nicht die Temperatureigenschaften wie Silikon und zeigen insbesondere bei Kälte Schwächen. Silikon selbst ist jedoch nicht oder nur bedingt beständig gegenüber Kraftstoffen und Ölen.

Fluorsilikon (Kurzbezeichnung: (FVMQ)), das durch die Einbringung fluorhaltiger Gruppen an die Polymerkette des Silikonkautschuks gebildet werden kann, schließt diese Lücke und kombiniert die hervorragenden Temperatureigenschaften von Silikon mit der Beständigkeit gegenüber Kraftstoff und Ölen.

Im folgenden Blogbeitrag gehen wir näher auf die Eigenschaften von Fluorsilikon ein und beschreiben die Hauptunterschiede zwischen herkömmlichem Silikon und Fluorsilikon.

 

Mechanische und thermische Eigenschaften: Silikon vs. Fluorsilikon

Artikel, die aus Fluorsilikon gefertigt wurden, sind in ihren mechanisch-physikalischen Eigenschaften sehr ähnlich wie Fertigteile aus Silikonkautschuk. Über die Eigenschaften von Silikon und warum der Werkstoff so beliebt ist, haben wir bereits einen ausführlichen Blogartikel erstellt. Den Artikel finden Sie hier. Es lohnt sich.

Wie bei allen Elastomeren können die mechanischen Eigenschaften können durch den gezielten Aufbau einer Mischung beeinflusst werden. Insofern sind die folgenden Werte nur als Richtwerte zu verstehen.

Generell können Fertigteile aus Fluorsilikon mit einer Härte zwischen 20 Shore A und 80 Shore A gefertigt werden. Die Rückprallelastizität liegt je nach Mischungsaufbau zwischen 25 und 50 Prozent. Fluorsilikon kann ich Vergleich zu herkömmlichem Silikon etwas niedrigere Werte annehmen und hat somit beispielsweise in Anwendungen, in denen gute Dämpfungseigenschaften benötigt werden, Vorteile. Die Reißdehnung ist insbesondere bei weichen Mischungen sehr hoch und kann bis zu 700 Prozent betragen, wohingegen die Reißfestigkeit schwächer ist als bei anderen Elastomeren.

Sowohl Silikon- als auch Fluorsilikonmischungen zeichnen sich in der Regel durch einen niedrigen Druckverformungsrest aus, der über einen großen Temperaturbereich erhalten bleibt. Hier sind beide Typen anderen Elastomeren überlegen.

Schlecht sind hingegen die Abriebeigenschaften von Fluorsilikon (und Silikon). Zudem werden die beiden Materialien durch ihre hohe Reibung in den Anwendungen eingeschränkt.

Die Gasdurchlässigkeit von Fluorsilikonkautschuk ist deutlich niedriger als bei Silikonkautschuk.

Auch wenn die mechanisch-physikalischen Eigenschaften von Fluorsilikon (und Silikon) im Vergleich zu anderen Elastomeren auf den ersten Blick als schwächer erscheinen, haben Fluorsilikon und Silikon einen großen Vorteil gegenüber anderen Gummi-Materialien: Ihre Eigenschaften bleiben über einen sehr großen Temperaturbereich nahezu gleich, wohingegen die mechanischen Eigenschaften von Fertigteilen aus anderen Kautschuken deutlich schlechter werden, sobald eine Änderung der Temperatur stattfindet.

Sowohl Fluorsilikon als auch Silikon weisen exzellente Hitze- und Kältebeständigkeiten auf. Die elastischen Eigenschaften von Fertigteilen bleiben sowohl in heißen wie in kalten Umgebungen nahezu vollständig erhalten.

Auf Dauer können Fertigteile aus Fluorsilikon wie Silikon problemlos bis 200 Grad Celsius belastet werden. Auch Temperaturen von 225 Grad Celsius bis 250 Grad Celsius sind über bestimmte Zeiträume möglich. Wird die Temperatur weiter erhöht, sinkt die Lebensdauer der Vulkanisate entsprechend.

Im Kälteverhalten ist Silikonkautschuk Fluorsilikon leicht überlegen. Während Formteile aus Silikon bis etwa -80 Grad Celsius eingesetzt werden können, sind bei Fluorsilikon immerhin -65 Grad Celsius möglich. Damit sind sie anderen Werkstoffen deutlich überlegen.

 

Medienbeständigkeit:  Silikon vs. Fluorsilikon

Hinsichtlich der Medienbeständigkeit hebt sich Fluorsilikon deutlich von herkömmlichem Silikon ab. Bei der Entwicklung von Fluorsilikon war es schließlich das Ziel, die Temperaturbeständigkeit von Silikon zu erhalten, gleichzeitig aber die Medienbeständigkeit insbesondere hinsichtlich Kraftstoffen und Ölen zu verbessern. Dies gelang durch das Einbringen fluorhaltiger Gruppen an die Polymerkette des Silikonkautschuk, wodurch Fluorsilikon entstand.

Fluorsilikon erreicht eine sehr gute Beständigkeit gegenüber Benzin und sonstigen Kraftstoffen, Öl und Lösungsmittel sowie Wasser bis 100 Grad Celsius. In diesen Bereichen ist es herkömmlichen Silikon klar überlegen (siehe hierzu Abbildung 1).

 

Klassifizierung der Elastomere entsprechend ihrer Wärme- und Ölbestandigkeit gem. ASTM_D_2000_Ausgabe_2006

Abbildung 1: Klassifizierung der Elastomere entsprechend ihrer Wärme- und Ölbeständigkeit gem. ASTM D 2000 (Ausgabe 2006). Quelle: Kraiburg Group - Compunder Info - Klassifizierung von Kautschuken und Elastomeren (Broschüre)

 

Im Detail besitzt Fluorsilikon eine sehr gute chemische Beständigkeit gegenüber Motor- und Getriebenöl, aromatischen Mineralölen, alkoholfreien Kraftstoffen, Bremsflüssigkeiten auf Glycolbasis, schwerentflammbaren Hydraulikflüssigkeiten (HFD-R und HFD-S), hochmolekularen chlorierten Kohlenwasserstoffen, tierischen und pflanzlichen Ölen und Fetten sowie Wasser bis 100 Grad Celsius.  

Eine weniger gute bis unzureichende Beständigkeit besteht hingegen gegenüber Niedermolekularen, aromatischen Kohlenwasserstoffen (zum Beispiel Benzol oder Toluol), niedermolekularen Ester und Ether, überhitztem Wasserdampf über 120 Grad Celsius, Säuren und Alkalien sowie Silikonölen.

Die Ozon- und Witterungsbeständigkeit von Fertigteilen aus Fluorsilikon ist sehr gut und mit Produkten aus herkömmlichem Silikon vergleichbar.

 

Anwendungsgebiete von Fluorsilikon

Der Preis von Fluorsilikon ist in der Regel um etwa fünf Mal so hoch wie der Preis herkömmlicher Silikonmischungen. Insofern wird Fluorsilikon vor allem dort eingesetzt, wo die Medienbeständigkeit von Silikon nicht mehr ausreichend ist.

Dies ist insbesondere der Fall, wenn Formteile gegenüber Benzin, Kraftstoff oder Öl abdichten sollen und die Kälteflexibilität von NBR oder FKM nicht mehr gegeben ist. Da die mechanischen Eigenschaften sowohl von Silikon als auch von Fluorsilikon nur mittelmäßig sind, werden Fertigprodukte aus diesen Werkstoffen vor allem für statische Anwendungen eingesetzt (zum Beispiel Dichtungen) und sind für den dynamischen Einsatz nur bedingt zu empfehlen. Als Material für statische Dichtungen eignet sich Fluorsilikon aufgrund des sehr guten Druckverformungsrests hervorragend.

Beispielhafte Bereiche für Anwendungen von Formteilen aus Fluorsilikon sind verschiedene Erdöl- und Raffinerieanwendungen, benzinführende Systeme, Systeme im Flugzeug-Kraftstoff-Bereich oder Anwendungen mit chlorierten Lösungsmitteln. Formteile aus Fluorsilikon werden deshalb vielfach in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt sowie in der Erdöl- und Gasindustrie. Typische Produkte sind O-Ringe, Formdichtungen, Schläuche und Lager.

Im medizinischen Bereich hingegen wird Fluorsilikon eher selten verwendet. Hier ist Silikon (egal ob Festsilikon oder Flüssigsilikon) aufgrund seiner Konformität gegenüber FDA Regularien ganz klar der führende Werkstoff. Zudem ist Silikon biokompatibel und weist somit eine gute Verträglichkeit für den Menschen auf.

 

Übersicht über die Eigenschaften von Fluorsilikon

Abschließend soll noch eine zusammenfassende Übersicht über die Eigenschaften von Fluorsilikon gegeben werden.

Es ist zu beachten, dass es sich hierbei lediglich um eine generelle Orientierungshilfe handelt und die Darstellung nicht für endgültige Entscheidungen herangezogen werden sollte. Durch gezielten Rezepturaufbau können die einzelnen Eigenschaften von Mischungen positiv wie negativ beeinflusst werden und so von der Darstellung abweichen.

Die Bewertung reicht dabei von ☆☆☆☆☆ (unzureichend) bis ★★★★★ (sehr gut).

 Mechanische Eigenschaften:  
 Härtebereich:  20 Shore A bis 80 Shore A
 Reißfestigkeit (Zugfestigkeit):  ★★☆☆☆
 Reißdehnung (Bruchdehnung):  ★★★★☆
 Weiterreißwiderstand:  ★★☆☆☆
 Druckverformungsrest bei Hitze:  ★★★★★
 Druckverformungsrest bei Kälte:  ★★★★★
 Rückprallelastizität:  ★★★☆☆
 Abriebwiderstand:  ★★☆☆☆
 Thermische Eigenschaften:  
 Kälteflexibilität:  ★★★★★
 Hitzebeständigkeit:  ★★★★★
 (Chemische) Beständigkeit:  
 Benzin:  ★★★★☆
 Mineralöl (bei 100° C):  ★★★★☆
 Säuren:  ★★★★☆
 Laugen:  ★★★★☆
 Wasser (bei 100° C):  ★★★★☆
 Witterung und Ozon:  ★★★★★
 UV/Licht:  ★★★★★

Sollten Sie weitere detaillierte Informationen zu den Eigenschaften und der chemischen Beständigkeit benötigen oder Fragen hinsichtlich einer bestimmten Anwendung haben, nehme Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf.  

Wenn Sie noch Fragen zu diesem Blogpost haben oder möchten, dass demnächst ein bestimmtes Themengebiet rund um Elastomere behandelt wird, melden Sie sich gerne bei uns per E-Mail unter info@hepako.de   

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