Warum Silikon als Werkstoff so verbreitet ist

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29.09.2018

 

Gummi ist nicht gleich Gummi. Es existieren viele verschiedene Kautschuke, die alle unterschiedliche Eigenschaften aufweisen und sich für verschiedene Anwendungsbereiche eignen (siehe hierzu z. B. Übersicht verschiedener Elastomer-Materialien und Die mechanischen Eigenschaften von Elastomeren und ihre Prüfung). Auf Basis der Grundkautschuke entwickeln Hersteller und Produzenten unzählige Kautschukmischungen, die hinsichtlich ihrer Einsatzgebiete optimiert sind.   

Während dem Endanwender die meisten Elastomere wie EPDM, FKM oder NBR unbekannt sind, ist in der Bevölkerung ein Werkstoff beinahe jedem ein Begriff: Silikon.

Obwohl Silikon hinsichtlich seiner mechanischen Eigenschaften anderen Elastomeren unterlegen ist, wird es in nahezu allen Industrien eingesetzt. So findet man Produkte aus Silikon in Lebensmittelanwendungen, in der Medizin und in pharmazeutischen Bereichen. Babysauger und Schnuller werden ebenso aus Silikon hergestellt wie Taucherbrillen. In technischen Industrieanwendungen taucht Silikon vielfach als Werkstoff für Dichtungen auf oder in dynamischen Anwendungen für Membranen. Im Automobilbereich wird es für Schläuche, Ummantelungen oder als Kabelisolierung eingesetzt.    

Warum das so ist, wird in diesem Blogeintrag erklärt.

Vorteile und Eigenschaften von Silikonkautschuk

Bezüglich seiner mechanischen Eigenschaften hat Silikon gegenüber anderen Kautschuktypen einen entscheidenden Vorteil: Sie bleiben bei Silikon über einen sehr großen Temperaturbereich auf relativ stabilem Niveau erhalten, wohingegen sich die mechanischen Eigenschaften vieler anderer Werkstoffe bei Kälte oder Hitze stark verschlechtern. Ist beispielsweise ein EPDM-Werkstoff hinsichtlich seiner mechanischen Eigenschaften beim Blick auf das technische Datenblatt einer Silikon-Mischung überlegen, weil hier die Eigenschaften bei Raumtemperatur angegeben sind, so zeigt sich bei hohen oder niedrigen Temperaturen das komplett gegenteilige Bild. Die Temperaturbeständigkeit in Luft liegt bei Silikon dabei in etwa bei -80 °C bis ca. 250 °C. Diese Eigenschaft wird gerne für Dichtungen verwendet, da hierbei der für Silikon typische, sehr niedrige Druckverformungsrest zum Tragen kommt.

Aufgrund seiner exzellenten ozon-, UV- und Witterungsbeständigkeit werden Mischungen aus Silikon zudem häufig in Außenanwendungen eingesetzt.

Darüber hinaus ist Silikon sehr schwer entflammbar und sowohl gut elektrisch isolierfähig wie auch gut elektrisch leitfähig.   

Chemisch beständig ist Silikon zum Beispiel gegenüber Pflanzen- und Tierfetten, heißem Wasser und Alkohol. Probleme machen beispielsweise Säuren, Laugen, Kraftstoffe und Ketone sowie Wasserdampf. Die chemische Beständigkeit sollte aber im konkreten Anwendungsfall besprochen werden.

Die Beständigkeit gegenüber Kraftstoffen und Mineralöl kann durch die Zugabe von Fluor erheblich verbessert werden, wobei man dann von Fluorsilikon spricht (genau genommen werden die die Methylgruppen durch Fluoralkylgruppen ersetzt). Daher wird Fluorsilikon gerne im Automobilbereich für statische Dichtungen verwendet, bei denen ein großer Temperaturbereich abgedeckt werden soll.

Silikon hat zudem eine sehr hohe Gasdurchlässigkeit.

Besondere Eigenschaften für den medizinischen Bereich

Neben industriellen Anwendungen wird Silikon seit Jahrzenten als bevorzugtes Elastomer im medizinischen Bereich gewählt. Komponenten aus Silikon werden dabei auch als Kurz- (für weniger als 30 Tage in Medizinprodukten der Klasse IIa) oder Langzeitimplantate (für 30 Tage oder mehr in Medizinprodukten der Klasse IIb verwendet) und erfüllen dort kritische Funktionen in Geräten wie Herzkathetern, Herzschrittmachern, Beatmungsgeräten, Neurostimulatoren oder Defibrillatoren. 

Silikonkautschuk, der für Langzeitimplantate eingesetzt werden soll, wird weltweit nur von sehr wenigen Produzenten angeboten (z. B. von NuSil Technology). Die Herstellung der Mischungen erfolgt dabei unter strengen Auflagen der U.S. Food and Drug Administration (FDA). Auch bei der Verarbeitung muss auf besondere Reinheit geachtet werden und eine Komponentenproduktion im Reinraum stattfinden.

Ein wichtiger Vorteil von Silikon ist dabei, dass er biokompatibel ist und somit eine gute Verträglichkeit für den Menschen aufweist. Die Biokompatibilität einer Silikonmischung wird häufig durch USP Class VI-Einstufungen nachgewiesen (USP steht dabei für United States Pharmacopeia) oder durch Tests gemäß der strengeren (DIN EN) ISO 10993 Richtlinie. Die (DIN EN) ISO 10993 dient dabei vor allen Dingen dem Testen von Medizinprodukten, die für lange Zeit oder permanent im menschlichen Körper implantiert werden. Für kürzere Anwendungen ist die Einstufung nach USP Class VI oder gegebenenfalls eine niedrigere Einstufung ausreichend.  

Darüber hinaus bietet Silikon aufgrund seiner Eigenschaft, in einem weiten Temperaturbereich von etwa -80 °C bis ca. 250 °C eingesetzt werden zu können, die Möglichkeit zur Dampfsterilisation (Erhitzen im Autoklaven). Produkte aus Silikon können so von lebenden Mikroorganismen, deren Dauerformen und Viren etc. befreit werden.  

Auch die guten elektrischen Isolationsfähigkeiten von Silikon sind im medizinischen Bereich von besonderer Bedeutung.

Dank seiner hohen Stabilität innerhalb des menschlichen Körpers stellt Silikon somit einen sehr guten Schutz kritischer Komponenten dar und wird aufgrund der genannten Eigenschaften zudem bevorzugt für funktionale Teile eingesetzt.

Verschiedene Typen von Silikonkautschuk

Grundsätzlich liegt der Unterschied von Silikonkautschuk im Vergleich zu anderen organischen Elastomeren darin, dass seine Hauptketten, die eine anorganische Struktur aufweisen, nicht aus Kohlenstoffverbindungen bestehen, sondern aus Kombinationen von Silizium- und Sauerstoffatomen gebildet wird, wobei als Füllstoff vor allem pyrogene Kieselsäure zur Ausbildung guter Eigenschaften verwendet wird.

Entsprechend ihrer Aggregatszustände sowie ihrer Vulkanisationstemperaturen lassen sich Silikonkautschuke in drei Gruppen gliedern:

Als HTV (high temperature vulcanizing) oder HCR (high consistency rubber) bezeichnet man Silikonkautschuke, deren Rohmaterial fest ist. Sie werden bei hohen Temperaturen üblicherweise zwischen 140 °C und 200 °C vulkanisiert. Die Vernetzung erfolgt entweder durch Peroxide oder durch Additionsreaktion, wobei Platinverbindungen als Katalysator eingesetzt werden.  

Flüssigsilikon oder LSR (Liquid Silikon Rubber) ist als Rohmaterial (zäh-)flüssig und besteht aus zwei Komponenten, die direkt vor der Verarbeitung gemischt werden. Die Vernetzung erfolgt durch Additionsreaktion bei ähnlichen Temperaturen wie bei den HTV-Typen, wobei die Vernetzung generell wesentlich schneller erfolgt.

Beide Silikon-Typen können eingefärbt werden.

Fertige Elastomer-Artikel aus HTV-Silikon und LSR-Silikon unterscheiden sich in ihren Eigenschaften kaum.

Die dritte Gruppe sind sogenannte RTV-Silikone (room temperature vulcanizing). Bei diesen geschieht die Vernetzung bereits bei Raumtemperatur. Sie werden gerne als Dichtungsmasse oder in der Prototypenfertigung verwendet. Verfügbar sind sie sowohl aus Ein- wie auch als Zweikomponentensysteme.

Übersicht über die Eigenschaften von Silikon (VMQ) und Flüssigsilikon (LSR)

Abschließend soll noch eine zusammenfassende Übersicht über die Eigenschaften von Silikon (VMQ) und Flüssigsilikon (LSR) gegeben werden.

Es ist zu beachten, dass es sich hierbei lediglich um eine generelle Orientierungshilfe handelt und die Darstellung nicht für endgültige Entscheidungen herangezogen werden sollte. Durch gezielten Rezepturaufbau können die einzelnen Eigenschaften von Mischungen positiv wie negativ beeinflusst werden und so von der Darstellung abweichen.

Die Bewertung reicht dabei von ☆☆☆☆☆ (unzureichend) bis ★★★★★ (sehr gut).

 Mechanische Eigenschaften:  
 Härtebereich:  10 Shore A bis 90 Shore A
 Reißfestigkeit (Zugfestigkeit): ★★☆☆☆
 Reißdehnung (Bruchdehnung): ★★★★★ 
 Weiterreißwiderstand: ★★☆☆☆
 Druckverformungsrest bei Hitze: ★★★★★ 
 Druckverformungsrest bei Kälte: ★★★★★
 Rückprallelastizität: ★★★☆☆
 Abriebwiderstand: ★★☆☆☆
 Thermische Eigenschaften:  
 Kälteflexibilität: ★★★★★
 Hitzebeständigkeit: ★★★★★
 (Chemische) Beständigkeit:  
 Benzin: ★☆☆☆☆
 Mineralöl (bei 100° C): ★★★★☆
 Säuren: ★★☆☆☆
 Laugen: ☆☆☆☆☆
 Wasser (bei 100° C): ★☆☆☆☆
 Witterung und Ozon: ★★★★★
 UV/Licht: ★★★★★

Sollten Sie weitere detaillierte Informationen zu den Eigenschaften und der chemischen Beständigkeit benötigen oder Fragen hinsichtlich einer bestimmten Anwendung haben, nehme Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf.

Wenn Sie noch Fragen zu diesem Blogpost haben oder möchten, dass demnächst ein bestimmtes Themengebiet rund um Elastomere behandelt wird, melden Sie sich gerne bei uns per E-Mail unter info@hepako.de    

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