Fluorkautschuk (FKM)

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04.12.2019

 

Aufgrund seiner ausgezeichneten Beständigkeit gegen aggressive Chemikalien sowie seinem exzellenten Verhalten bei hohen Temperaturen ist Fluorkautschuk für eine Vielzahl von Industriebereichen von großer Bedeutung. Aus FKM hergestellte Artikel zeichnen sich dabei auch bei schwierigen Umweltbedingen, dynamischer Belastung und verschiedenen Anwendungen durch eine lange Lebensdauer und hervorragende Eigenschaften aus. Fluorkautschuk wurde erstmals 1955 hergestellt und ist seitdem insbesondere unter dem vom US-amerikanischen Chemieunternehmen DuPont (mittlerweile DuPont de Nemours) vertriebenen Markennamen Viton bekannt.   

In dem heutigen Blogeintrag erläutern wir zunächst die unterschiedlichen Typen von FKM und gehen dann im Detail auf die mechanischen, thermischen und chemischen Eigenschaften des Werkstoffs ein.

Fluorkautschuk – Die unterschiedlichen Typen

FKM ist die Kurzbezeichnung von Fluorkautschuk und wird unter dem Standard ASTM D 1418 bzw. DIN ISO 1629 definiert. Eine ebenfalls bekannte Abkürzung ist FPM, die insbesondere im europäischen Raum gebraucht wurde. 

Bevor wir auf die mechanischen und thermischen Eigenschaften sowie die chemische Beständigkeit von Fluorkautschuk (FKM) eingehen, sollten wir zunächst die unterschiedlichen Typen dieses Werkstoffs erläutern, da die Auswahl des Typs Einfluss auf dessen Eigenschaften hat.  Vor allem kommt es dabei zu Unterschieden hinsichtlich der chemischen Resistenz sowie der Tieftemperatur-Flexibilität.

Die wichtigsten Kriterien, nach denen FKM in unterschiedliche Typen eingeteilt werden kann, sind das zugrunde liegende Polymer (und die verschiedenen Monomerzusammensetzungen), der Fluorgehalt sowie die Art der Vernetzung.

Typ Alternative  Bezeichnung Monomere Fluorgehalt in % Kälterichtwert in °C (TR10 nach ASTM D-1329) Kurzbeschreibung
Co-Polymer Typ A VF2 / HFP ~ 66 -17 Allrounder
Ter-Polymer Typ B / Typ GBL VF2 / HFP / TFE ~ 68 -13

Vergleich mit Co-Polymer-Typ:

bessere Hitzebeständigkeit; bessere Medienbeständigkeit; schwächere Kälteflexibilität; schlechterer Druckverformungsrest 

Tetra-Polymer Typ F / Typ GF VF2 / HFP / TFE / CS ~ 70 -8 ähnlich Ter-Polymer, aber bessere Medienbeständigkeit
FKM mit optimierter Kälteflexibilität Typ GLT / Typ GFLT VF2 / PMVE / TFE / CS ~ 65 -22 bis -40 ähnlich Ter-Polymer, aber verbesserte Kälteflexibilität

Tabelle 1: Übersicht der unterschiedlichen FKM-Typen

Der erste FKM-Typ kann der Gruppe Co-Polymere zugeordnet werden (Monomere sind VF2 und HFP). Dieser Typ wird auch als A-Typ bezeichnet. Der Fluorgehalt dieser Mischungen liegt in der Regel bei etwa 66 Prozent. Der Kälterichtwert dieses FKM-Typs (TR10 nach ASTM D-1329) liegt bei -17°C. Die Vernetzung dieses FKM-Typs erfolgt entweder durch Diamine oder Bisphenole. Da die Verarbeitung bei Diamin-Vernetzung aufgrund sehr kurzer Scorch-Zeit relativ schwierig ist, sind die meisten FKM-Mischungen der Gruppe Co-Polymere bisphenolisch vernetzt.

Der zweite FKM-Typ gehört der Kategorie Ter-Polymere an. Neben den Monomeren VF2 und HFP enthält die Polymerkette dieses Typs noch die Komponente TFE. Der typische Fluorgehalt liegt bei circa 68 Prozent. Der Kälterichtwert ist etwas schwächer als bei Co-Polymer-Mischungen und liegt bei -13°C. Dafür sind das Hitzeverhalten sowie die Medienbeständigkeit besser. Die Vernetzung erfolgt auch hier in der Regel durch Bisphenole.

Elastomere des dritten FKM-Typs sind der Gruppe der Tetra-Polymere zuzuordnen. Diese Polymere setzen sich aus den Monomeren VF2, HFP, TFE und CS zusammen. Die Verwendung einer sogenannten reaktiven Stelle, nämlich eines Cure Site Monomers (CS), ermöglicht die Vernetzung mithilfe von Peroxiden, was die Beständigkeit der Mischungen gegenüber Säuren, aminhaltigen Motoröl-Additiven oder methanolhaltigen Kraftstoffen erhöht. Ähnlich den Ter-Polymeren sind jedoch der Druckverformungsrest sowie die Kälteflexibilität im Vergleich zu den Co-Polymeren schwächer. Mischungen dieses Typs enthalten in der Regel einen Fluoranteil von circa 70 Prozent.

Fluorkautschuk, das üblicherweise keine gute Kälteflexibilität aufweist, kann durch die Verwendung von PMVE (Perfluormethylvinylether) hinsichtlich seiner Tieftemperaturbeständigkeit verstärkt werden. Das Vernetzungssystem ist peroxidisch. FKM-Mischungen können dann für dynamische Anwendungen bis -35°C verwendet werden. Bei statischen Anwendungen sind sogar tiefere Temperaturen möglich. Je höher die Kälteflexibilität des Werkstoffs sein soll, desto teurer wird die Mischung jedoch in Herstellung und Anschaffung.

In der Praxis werden die Werkstoffe durch verschiedenen Mischungsaufbau (Fluorgehalt, Vernetzungssystem, Füllstoffe etc.) auf den jeweiligen Anwendungsbereich und die erforderlichen Eigenschaften abgestimmt.

Mechanische Eigenschaften von FKM

Die mechanischen Eigenschaften von FKM können als durchschnittlich bezeichnet werden. Betrachtet man einzelne physikalische Eigenschaften, gibt es in der Regel andere Werkstoffe, die FKM überlegen sind.

Bei der Zugfestigkeit gilt dies beispielsweise für Naturkautschuk (NR), Chloropren-Kautschuk (CR) oder Nitrilkautschuk (NBR). In Bezug auf die Reißdehnung wird FKM unter anderem von Naturkautschuk (NR), Butyl (IIR) oder NBR übertroffen. Hinsichtlich des Weiterreißwiderstands liegen wieder Naturkautschuk (NR) und Chloropren-Kautschuk (CR) vorne. Ist für die Anwendung der Abriebwiderstand des Werkstoffs von großer Bedeutung, wird eher auf NBR oder HNBR zurückgegriffen.

Was Fluorkautschuk (FKM) jedoch bezüglich seiner mechanischen Eigenschaften besonders macht, ist die Tatsache, dass das Material seine Eigenschaften bei hohen Temperaturen im Wesentlichen beibehält.

Zudem zeichnet sich FKM durch einen exzellenten Druckverformungsrest bei normalen oder hohen Temperaturen aus. Hier ist er anderen Werkstoffen deutlich überlegen und ist daher sehr häufig für Dichtungen die erste Wahl. Aufgrund seiner schwachen Kälteflexibilität gilt dies jedoch nicht bei niedrigen Temperaturen.

FKM wird außerdem gerne eingesetzt in Anwendungen, die eine gute Dämpfung erfordern. Dies liegt an der sehr niedrigen Rückprallelastizität von Fluorkautschuk.

Der typische Härtebereich von FKM liegt zwischen 55 Shore A und 90 Shore A. Für Sondermischungen sind auch niedrigere Härtebereiche von 40 Shore A möglich.

Thermische Eigenschaften von FKM

Vulkanisate aus Fluorkautschuk (FKM) zeichnen sich durch ihre exzellente Beständigkeit gegen hohe Temperaturen aus. Dabei behalten aus FKM hergestellte Artikel sowohl ihre Medienbeständigkeit sowie ihre physikalischen Eigenschaften zum einem großen Teil bei. Hier sind sie vielen anderen Werkstoffen deutlich überlegen. Gerade aufgrund seiner exzellenten Eigenschaften bei hohen Temperaturen wird FKM gerne für zahlreichen Anwendungen gewählt.

Gummiteile aus FKM können dauerhaft ohne weiteres bei Temperaturen bis 220°C eingesetzt werden. Kurzzeitig (bis zu 70 Stunden) sind auch höhere Temperaturen bis 300°C möglich (ISO 4632, Teil 2). Je nach verwendetem FKM-Typen reduziert sich die Lebensdauer des Gummiteils jedoch mit steigender Temperatur.

Betrachtet man das Verhalten von FKM bei niedrigen Temperaturen, sind die Werte hier deutlich schlechter. Im Allgemeinen können Artikel aus FKM bis -20°C dynamisch belastet werden. Bei statischer Beanspruchung sind etwa -30°C möglich. Sondertypen, die jedoch sehr teuer sind, ermöglichen einen dynamischen Einsatz bis zu -40°C.

Die Schwäche von FKM bei niedrigen Temperaturen wurde der US-Raumfähre Challenger im Jahr 1986 zum Verhängnis, die kurz nach dem Start in der Luft zerbrach und allen sieben Besatzungsmitgliedern das Leben kostete. Ursache für den Absturz war eine Dichtung aus FKM, die aufgrund unerwarteter Kälte nicht mehr die gewünschte Funktionalität (Druckverformungsrest) aufwies. Wir haben den tragischen Unfall bereits in einem früheren Blogeintrag näher beschrieben. Details können hier nachgelesen werden.

Medienbeständigkeit von FKM

FKM wird besonders für seine exzellente Medienbeständigkeit und seine hervorragenden Hochtemperatur-Eigenschaften geschätzt.

So ist FKM gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Chemikalien beständig und dabei vielen anderen Kautschuken überlegen. Fluorelastomere besitzen dabei Resistenzen gegen Mineralöle, aromatische Kohlenwasserstoffe (z. B. Benzol), aliphatische Kohlenwasserstoffe (Benzin, Erdgas usw.) synthetische Hydraulikflüssigkeiten und Hydrauliköle, Schmieröle, Kraftstoffe, Kerosin und zahlreiche organische Lösemittel, was sie zu einem bedeutenden Werkstoff für die Automotive-Industrie und hydraulische Anwendungen macht. Bei feuerbeständigen Hydraulikflüssigkeiten ist die Eignung von FKM in jedem Fall zu prüfen. Bei den schwer entflammbaren Druckflüssigkeiten der Gruppe HFD ist sie in der Regel gegeben. Bei Bedarf muss aber auf den teuren Perfluorkautschuk FFKM oder EPDM zurückgegriffen werden.

Gerade im Automobilbau wurde in der Vergangenheit vermehrt der Versuch unternommen, Elastomere zu klassifizieren und so besser vergleichbar zu machen. Auch wenn dies immer mit einer gewissen Ungenauigkeit und einem Verlust an Flexibilität verbunden ist, spiegelt die Klassifizierung entsprechend der ASTM D 2000 sehr gut die Bedeutung von Fluorkautschuk FKM für die Automobilindustrie wider. In der unten stehenden Grafik werden verschiedene Elastomere hinsichtlich ihrer Wärmebeständigkeit sowie ihrer Ölbeständigkeit klassifiziert.

Klassifizierung der Elastomere entsprechend ihrer Wärme- und Ölbeständigkeit gem. ASTM D 2000 (Ausgabe 2006)

Abbildung 1: Klassifizierung der Elastomere entsprechend ihrer Wärme- und Ölbeständigkeit gem. ASTM D 2000 (Ausgabe 2006). Quelle: Kraiburg Group - Compunder Info - Klassifizierung von Kautschuken und Elastomeren (Broschüre)

Von Vorteil für den Automobilbereich ist zudem die exzellente Permeationsbeständigkeit von FKM.

Auch gegen Wasser und wässrigen Lösungen weist FKM eine gute Beständigkeit auf. 

Gerade bei Hochtemperatur-Anwendungen ist FKM möglichen Alternativen wie Silikon oder Fluorsilikon in seiner Medienbeständigkeit überlegen. FKM übertrifft hier beispielsweise mit Blick auf aromatische und aliphatische Kohlenwasserstoffe herkömmliches Silikon deutlich und ist auch etwas besser geeignet als Fluorsilikon. In Bezug auf konzentrierte Säuren gilt dies noch stärker, wobei hier die Beständigkeit von FKM sehr vom gewählten FKM-Typ abhängt. Gegen verdünnte Säuren besteht jedoch generell eine sehr gute Resistenz. 

Auch mit verschiedenen Umwelteinflüssen haben aus FKM gefertigte Teile keinerlei Probleme. So ist Fluorkautschuk sehr gut beständig gegen Oxidation, UV-Licht bzw. Sonneneinstrahlung sowie Ozon. Selbst nach mehrjährigem Kontakt mit direktem Sonnenlicht behalten Vulkanisate aus FKM ihre ursprünglichen Eigenschaften bei.

Hervorzuheben ist darüber hinaus die sehr gute Flammwidrigkeit von FKM. 

Nicht beständig ist FKM gegen polare Lösungsmittel (z. B. Aceton, Methylethylketon), Ketone, Bremsflüssigkeiten auf Glycolbasis, Ammoniakgas, Amine und Alkalien. Ebenfalls liegt keine Beständigkeit gegen überhitzten Wasserdampf vor.

Anwendungsgebiete von FKM

Generell kann man sagen, dass FKM überall dort Verwendung findet, wo sehr gute Medienbeständigkeit und/oder eine sehr gute Wärmebeständigkeit erforderlich sind. Auch wenn FKM zu den hochpreisigen Kautschuken zählt, können durch dein Einsatz von Gummiteilen aus FKM aufgrund höherer Zuverlässigkeit Wartungsintervalle von Maschinen oder Geräten erhöht, Ausfallzeiten minimiert und Servicekosten reduziert werden.

Als wichtiger Verwender von Artikeln aus FKM wurde bereits die Automobil- bzw. Kraftfahrzeugindustrie genannt. Ebenfalls vielfach eingesetzt werden Gummiteile aus Fluorkautschuk in der Luft- und Raumfahrt, der Bauindustrie und in allen Bereichen, die mit der Förderung, der Herstellung und dem Transport von Erdöl und Erdgas in Verbindung stehen.

Neben dem Automotive-Bereich ist insbesondere in der chemischen Verfahrenstechnik die hohe Gasundurchlässigkeit von Fluorkautschuk von hohem Wert, um flüchtige Emissionen möglichst gering zu halten.

Ebenfalls eingesetzt werden Produkte aus FKM in den Bereichen Lebensmittel, Medizin und Pharma. Hierfür können Mischungen auf Basis unterschiedlicher FKM-Typen erstellt werden, die den Anforderungen der Food and Drug Administration (FDA) entsprechen.

Wegen seines guten Druckverformungsrests wird FKM in den genannten Bereichen sehr gerne als O-Ringe oder in Formdichtungen verschiedenster Ausführung eingesetzt.

Zusätzlich werden generell unterschiedliche Formteile und Schläuche aus FKM gefertigt, die hohen Temperaturen oder aggressiven Chemikalien ausgesetzt sind. Dies können zum Beispiel Membranen, elastische Verbindungen, Ventile, Ventilschaftdichtungen, Ladeluftschläuche, Dämpfer oder Lagerungen sein.

Eingeschränkt wird das Anwendungsgebiet von Formteilen aus FKM insbesondere durch dessen nicht immer ausreichende Kältebeständigkeit (siehe hierzu auch: Die Aussagekraft von technischen Datenblättern). Hinzu kommt, dass die physikalischen Eigenschaften von FKM zwar ordentlich sind,  andere Kautschuke hier aber häufig Vorteile bieten.

Übersicht über die Eigenschaften von FKM

Abschließend soll noch eine zusammenfassende Übersicht über die Eigenschaften von FKM (Fluorkautschuk) gegeben werden.

Es ist zu beachten, dass es sich hierbei lediglich um eine generelle Orientierungshilfe handelt und die Darstellung nicht für endgültige Entscheidungen herangezogen werden sollte. Durch gezielten Rezepturaufbau können die einzelnen Eigenschaften von Mischungen positiv wie negativ beeinflusst werden und so von der Darstellung abweichen.

Die Bewertung reicht dabei von ☆☆☆☆☆ (unzureichend) bis ★★★★★ (sehr gut).

 Mechanische Eigenschaften  
 Härtebereich:    55 Shore A bis 95 Shore A
 Reißfestigkeit (Zugfestigkeit):   ★★★☆☆
 Reißdehnung (Bruchdehnung):                 ★★★☆☆
 Weiterreißwiderstand:                                  ★★☆☆☆
 Druckverformungsrest bei Hitze:   ★★★★★
 Druckverformungsrest bei Kälte:   ★☆☆☆☆
 Rückprallelastizität:   ☆☆☆☆☆
 Abriebwiderstand:  ★★☆☆☆
 Thermische Eigenschaften  
 Kälteflexibilität:                 ★☆☆☆☆
 Hitzebeständigkeit:  ★★★★★
 (Chemische) Beständigkeit  
 Benzin:   ★★★★★
 Mineralöl (bei 100° C):    ★★★★★
 Säuren:                  ★★★★★
 Laugen:                 ★★★★★
 Wasser (bei 100° C):         ★★★☆☆
 Witterung und Ozon:   ★★★★★
 UV/Licht:  ★★★★★

Sollten Sie weitere detaillierte Informationen zu den Eigenschaften und der chemischen Beständigkeit benötigen oder Fragen hinsichtlich einer bestimmten Anwendung haben, nehme Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf.  

Wenn Sie noch Fragen zu diesem Blogpost haben oder möchten, dass demnächst ein bestimmtes Themengebiet rund um Elastomere behandelt wird, melden Sie sich gerne bei uns per E-Mail unter info@hepako.de    

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