HNBR (Hydrierter Nitrilkautschuk)

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02.04.2020

 

Vor einiger Zeit haben sind wir in unserem Blog näher auf den Werkstoff NBR (Nitrilkautschuk) eingegangen und haben dabei ausführlich dessen Eigenschaften und Einsatzbereiche beschrieben. Dabei wurde als ein Nachteil von NBR seine eher schwächere Hitzebeständigkeit genannt, was ihn für viele Anwendungen unbrauchbar macht.

Deswegen wurde ungefähr in den 1980er Jahren mit dem Kautschuk HNBR ein Werkstoff entwickelt, der die Vorteile von NBR um eine bessere Wärmebeständigkeit ergänzt.

Durch die sogenannte katalytische Hydrierung wird auf Basis von NBR ein hydrierter Nitrilkautschuk HNBR erzeugt, der herkömmlichem Nitrilkautschuk NBR in mehrerlei Hinsicht überlegen ist. Durch den mit der katalytischen Hydrierung verbundenen Aufwand sind HNBR-Mischungen jedoch wesentlich teurer.

Die Grundlage für diesen Prozess ist in der Regel ein Nitrilkautschuk mit einem Acrylgehalt von 33 bis 49 Prozent.

Im Zuge dieser katalytischen Hydrierung werden die für NBR typischen Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen der Polymerkette, die für die Vernetzung mit Schwefel benötigt werden, durch Einzelbindungen ersetzt. Es findet dabei also eine Reaktion mit Wasserstoff statt. Es entsteht HNBR.

Werden alle Doppelbindungen in Einzelbindungen umgewandelt, spricht man von einem vollständig gesättigten Kautschuk. Es gibt auch Fälle, in denen nicht alle Doppelbindungen umgewandelt werden. Hierbei handelt es sich dann um teilweise hydrierte HNBR-Typen (ungesättigter Kautschuk).

Das Vernetzungssystem von HNBR ist abhängig davon, ob es sich um einen gesättigten oder ungesättigten Typen handelt. Ungesättigte HNBR-Mischungen können mit Schwefel vernetzt werden, was bei gesättigten Typen nicht möglich ist, da die dafür notwendigen Doppelbindungen durch die katalytische Hydrierung in Einzelbindungen umgewandelt wurden. Auch ist bei ungesättigten Typen eine Vernetzung durch Peroxide möglich. Dies hat beispielsweise Vorteile in Bezug auf den Druckverformungsrest und die Wärmebeständigkeit, kann sich aber im Vergleich zu schwefelvernetzten Mischungen negativ auf die Haftung bei Gummi-Metall-Verbindungen auswirken. Sind HNBR-Mischungen gesättigt und existieren somit keine Doppelbindungen mehr, kann die Vernetzung ausschließlich mittels Peroxiden erfolgen.

Da die Eigenschaften von HNBR in vielen Bereichen mit den Eigenschaften von NBR übereinstimmen, möchten wir an dieser Stelle auf unseren Artikel über NBR verweisen, den Sie hier finden können. In dem Blogbeitrag wird auch explizit auf die wichtige Rolle des Acrylnitril-Anteils in NBR-Mischungen eingegangen, was gleichsam für HNBR-Mischungen gilt.

Durch den Acrylnitril-Gehalt der Mischungen lassen sich gezielt verschiedene Eigenschaften beeinflussen. Hierzu zählen insbesondere die Medienbeständigkeit, Gasdurchlässigkeit, Kälteflexibilität sowie der Druckverformungsrest.

Mechanische Eigenschaften von HNBR

HNBR besitzt eine außerordentliche Reißfestigkeit und einen sehr guten Abriebwiderstand und übertrifft diesbezüglich NBR, das selbst gute Werte hinsichtlich dieser beiden Eigenschaften aufweist.

Generell ist HNBR sehr gut geeignet, wenn die zugrunde liegende Anwendung eine hohe dynamische Belastbarkeit erfordert.

Der Weiterreißwiderstand liegt etwas unter den Werten von NBR, hängt aber vom HNBR-Typen ab. Ungesättigte, also teilhydrierte HNBR-Mischungen, bei denen noch Doppelbindungen vorhanden sind, bieten einen höheren Weiterreißwiderstand als gesättigte Typen. Gleiches gilt für die Reißdehnung (Bruchdehnung).

Der Druckverformungsrest von HNBR ist durchschnittlich. Liegt der HNBR-Mischung eine Peroxid-Vernetzung zugrunde, wirkt sich das positiv auf den Druckverformungsrest aus. Üblich sind Werte um die 20 Prozent bei 70h/150° C. Wie bei NBR besteht ein starker Zusammenhang zwischen dem Druckverformungsrests und dem Acrylnitril-Gehalt der HNBR-Mischung. Je niedriger der Acrylnitril-Gehalt, desto besser der Druckverformungsrest. Gleichzeitig schwindet aber die Beständigkeit gegenüber Kraftstoffen. Gerade, wenn HNBR (oder herkömmlicher NBR) für Dichtungen im Kraftfahrzeugbereich eingesetzt werden sollen, sieht sich der Anwender hier einem Zwiespalt gegenüber. Dichtungen sollten einen möglichst guten, also niedrigen Druckverformungsrest aufweisen, aber natürlich gegenüber dem in Kontakt tretenden Medium beständig sein.

HNBR-Mischungen sind in der Regel mit einer Härte zwischen 45 Shore A und 95 Shore A verfügbar. Theoretisch sind auch noch härtere Einstellungen bis 60 Shore D möglich.  

Die Gasdurchlässigkeit von HNBR ist sehr niedrig. HNBR kann hier durchaus mit Butyl-Mischungen, die in der Regel eine sehr niedrige Permeabilität aufweisen, konkurrieren.

Thermische Eigenschaften von HNBR

Die mäßigen thermischen Eigenschaften von NBR sind auf dessen Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen der Polymerkette zurückzuführen, die für die Vernetzung mit Schwefel benötigt werden. Aus diesen Doppelbindungen lassen sich durch katalytische Hydrierung Einzelbindungen bilden, wodurch man HNBR erhält.

Einzelbindungen reagieren im Vergleich zu Doppelbindungen deutlich langsamer und verbessern damit die thermischen Eigenschaften des Materials erheblich.

Gesättigte (und somit mit Peroxiden vernetzte) HNBR-Mischungen weisen gute Eigenschaften bei Wärme auf.

Formteile können durchaus dauerhaft in Anwendungen bis zu 150° C eingesetzt werden, Spezialtypen sogar bis 170° C. Kurzzeitig (bis 100 Stunden) ist ein Einsatz bis 180° C möglich.

Die Hitzebeständigkeit von teilhydrierten und somit ungesättigten HNBR-Mischungen ist etwas besser als bei NBR, aber nicht so gut wie bei gesättigtem HNBR.

Das Kälteverhalten ist dem von NBR jedoch etwas unterlegen. Formteile, die dynamisch belastet werden, können in Einsatzbereichen bis max. -40° C eingesetzt werden. Generell ist das Kälteverhalten stark abhängig vom Acrylnitril-Gehalt der HNBR-Kautschukmischung. Je niedriger der Acrylnitril-Gehalt ist, desto besser ist die Tieftemperaturflexibilität. Dies geht dann jedoch einher mit Nachteilen für andere Eigenschaften wie der Kraftstoffbeständigkeit.

Medienbeständigkeit von HNBR

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass HNBR eine sehr ähnliche Medienbeständigkeit wie NBR besitzt, wenn Werkstoffe gleichen Acrylnitril-Gehalts miteinander verglichen werden.

Sowohl pflanzliche als auch tierische Fette und Öle stellen ebenfalls kein Problem für HNBR dar.

Generell weist auch HNBR eine exzellente Beständigkeit gegen Öle, Kraftstoffe und Fette auf und behält diese auch bei Auftreten von Schwefelwasserstoff und Aminen. Die Beständigkeit gegenüber Ölen und Kraftstoffen ist jedoch stark abhängig vom Acrylnitril-Gehalt der jeweiligen Mischung. Für eine hervorragende Beständigkeit ist ein hoher Acrylnitril-Gehalt erforderlich. Negativ wirkt sich dies dann aber auf das Kälteverhalten aus. HNBR-Mischungen mit einem hohen Acrylnitril-Gehalt verlieren deutlich an Kälteflexibilität.

Dies gilt auch bei Schmierölen und Hydraulikölen der Gruppen H, H-L, H-LP und Fetten auf Mineralölbasis.

In dem Zusammenhang soll zudem auf die gute Beständigkeit von HNBR gegenüber HFA-, HFB- und HFC-Druckflüssigkeiten (schwer entflammbare Flüssigkeiten) verwiesen werden, die ebenfalls für NBR gelten und den Werkstoff daher für viele Anwendungen interessant machen.

Keine Beständigkeit liegt gegenüber methanolhaltigen Kraftstoffen vor. Auch gegenüber Aceton liegt keine Beständigkeit vor.

Im Vergleich zu herkömmlichem NBR etwas verbessert ist zudem die Beständigkeit gegenüber Wasserdampf bis etwa 140° C.

Durch die Einzelbindungen der Kohlenstoffatome der Polymerkette, die bei HNBR die für NBR typischen Doppelbindungen ersetzen, ist die Beständigkeit von HNBR gegenüber Ozon und Witterungseinflüssen hervorragend und damit wesentlich besser als bei NBR. Wählt man eine teilhydrierte, ungesättigte HNBR-Mischung, ist die Beständigkeit gegenüber Ozon in etwa Vergleichbar mit NBR.

Anwendungsgebiete von HNBR

Hydrierter Nitrilkautschuk wird insbesondere bei dynamischen Anwendungen eingesetzt, wenn die Erzeugnisse zusätzlich einer größeren Belastung durch Hitze ausgesetzt sind und möglicherweise noch mit bestimmten Medien wie Ölen oder Fetten in Kontakt kommen.

Dies ist zum Beispiel in der Kraftfahrzeugindustrie, im Maschinenbau oder in der Erdölförderung der Fall. Gerade aufgrund seiner hervorragenden Beständigkeit gegenüber Fetten ist HNBR auch häufig die beste Wahl für Erzeugnisse, die in Molkereien oder der Getränkeindustrie zum Einsatz kommen.

Vor allem die exzellente Reißfestigkeit und der hervorragende Widerstand gegenüber Abrieb ermöglichen eine hohe Langlebigkeit von Elastomerprodukten, die aus HNBR hergestellt wurden.

Typische Formartikel aus HNBR sind hier Membranen, Stangendichtungen und Kolbendichtungen in der Hydraulik, Formdichtungen oder O-Ringe, Bälge, Schläuche, Radialwellendichtringe und Keilriemen.  

Zahnriemen in Automobilmotoren sind ebenfalls typische aus HNBR gefertigte Bauteile, da sie schwer dynamisch belastet sind und zudem hohen Wärmebelastungen sowie darüber hinaus Ölen, Fetten und Kraftstoffen ausgesetzt sind.

Übersicht über die Eigenschaften von HNBR

Abschließend soll noch eine zusammenfassende Übersicht über die Eigenschaften von HNBR (Hydrierter Nitrilkautschuk) gegeben werden.

Es ist zu beachten, dass es sich hierbei lediglich um eine generelle Orientierungshilfe handelt und die Darstellung nicht für endgültige Entscheidungen herangezogen werden sollte. Durch gezielten Rezepturaufbau können die einzelnen Eigenschaften von Mischungen positiv wie negativ beeinflusst werden und so von der Darstellung abweichen.

Die Bewertung reicht dabei von ☆☆☆☆☆ (unzureichend) bis ★★★★★ (sehr gut).

Mechanische Eigenschaften  
Härtebereich:  45 Shore A bis 95 Shore A
Reißfestigkeit (Zugfestigkeit):  ★★★★★
Reißdehnung (Bruchdehnung):  ★★★☆☆ 
Weiterreißwiderstand:  ★★☆☆☆
Druckverformungsrest bei Hitze:  ★★☆☆☆
Druckverformungsrest bei Kälte:  ★★☆☆☆
Rückprallelastizität:  ★★☆☆☆
Abriebwiderstand:  ★★★★★
Thermische Eigenschaften  
Kälteflexibilität:  ★★☆☆☆
Hitzebeständigkeit:  ★★★★☆
(Chemische) Beständigkeit  
Benzin:  ★★★☆☆
Mineralöl (bei 100° C):   ★★★★★
Säuren:                 ★★★☆☆
Laugen:                ★★★☆☆
Wasser (bei 100° C):  ★★★★☆
Witterung und Ozon:     ★★★★★
UV/Licht:             ★★☆☆☆

Sollten Sie weitere detaillierte Informationen zu den Eigenschaften und der chemischen Beständigkeit benötigen oder Fragen hinsichtlich einer bestimmten Anwendung haben, nehme Sie gerne jederzeit Kontakt zu uns auf.  

Wenn Sie noch Fragen zu diesem Blogpost haben oder möchten, dass demnächst ein bestimmtes Themengebiet rund um Elastomere behandelt wird, melden Sie sich gerne bei uns per E-Mail unter info@hepako.de    

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