Die Rolle von Hörgeräten im Kampf gegen Demenz

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03.02.2020

 

Jedes Jahr erkranken mehrere Millionen Menschen an Demenz, deren bekannteste und häufigste Form Alzheimer ist. Schätzungen zufolge sind es aktuell etwa 50 Millionen Menschen, die an Demenz leiden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von einer Verdreifachung bis zum Jahr 2050 aus. Die Folgen für die Betroffenen und deren Angehörige sind dabei enorm.

Die Krankheit ist bis heute nicht heilbar. Allerdings gewinnt die Forschung regelmäßig neue Erkenntnisse über Demenz, die zu neuen Therapieansätzen führen und insbesondere wichtige Informationen zu Präventivmaßnahmen liefern.

Eine breit angelegte Studie aus Taiwan untersuchte dabei kürzlich den Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz. Zu welchen Ergebnissen die Forscher kamen und welche Rolle Hörgeräte im Kampf gegen Demenz spielen können, soll in diesem Blogeintrag näher beschrieben werden.

Grundlegendes zu Demenz

Demenz ist ein chronisches  Krankheitsbild, das Menschen auf verschiedene Arten beeinträchtigt und behindert. Kognitive Fähigkeiten wie Denken oder das Gedächtnis, Orientierungssinn, Sprache, allgemeines Verständnis und die Fähigkeit zur Ausübung alltäglicher Tätigkeiten werden bei Auftreten von Demenz negativ beeinflusst und nehmen im Laufe der Zeit mehr und mehr ab. 

Betroffene schotten sich dabei häufig ab und verlieren soziale Kontakte und Lebensfreude. Die psychischen, physischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen sind dabei nicht nur für die Betroffenen selbst enorm, sondern auch für deren Angehörige, Pflegekräfte und Familien. Dies liegt zum einen zunächst am häufig fehlenden Bewusstsein und Erkennen der Krankheit, zum anderen aber auch am Aufwand für Pflege und Behandlung. So gilt Demenz als eine der Hauptursachen für Behinderung und Abhängigkeit bei älteren Menschen.

Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass aktuell circa 50 Millionen Menschen von Demenz betroffen sind und jährlich circa 10 Millionen neue Fälle dazukommen. In den Industrieländern ist Demenz die fünfthäufigste Todesursache.

Demenz tritt in verschiedenen Varianten auf. Die bekannteste und am meisten verbreitete Form ist dabei Alzheimer. Hierbei kommt es zu Eiweißablagerungen im Gehirn. Im Verlauf sterben die Nerven ab und die Verbindungen zwischen den Zellen werden so aufgelöst. Etwa zwei Drittel aller an Demenz erkrankten Personen leiden unter Alzheimer.

In der Bevölkerung relativ bekannt ist zudem die vaskuläre Demenz, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht wird und verschiedene Areale im Gehirn betreffen kann. Vaskuläre Demenz betrifft in etwa ein Fünftel aller Erkrankten.

Demenz betrifft in aller Regel ältere Menschen. Circa zwei Drittel aller Demenzkranken sind 80 Jahre oder älter. Dabei steigt das Risiko, an Demenz zu erkranken, mit dem Alter an. Betrachtet man die über 90-jährigen Menschen, so leiden von Ihnen 40 Prozent an Demenz. Generell sind mehr Frauen als Männer von Demenz betroffen, was aber im Zusammenhang mit der höheren Lebenserwartung von Frauen steht.

Symptome

Anzeichen für Demenz können in drei verschiedene Phasen unterteilt werden.

Zunächst nimmt die allgemeine Vergesslichkeit zu. Betroffene verlieren schneller den Überblick und ihr Zeitgefühl. Zudem geht selbst an vertrauten, bekannten Orten der Orientierungssinn verloren. Oft wird die Krankheit in dieser Phase nicht diagnostiziert, weil die Betroffenen sowie deren Umfeld das allmähliche auftreten der Symptome nicht in ihrer Schwere wahrnehmen.

Mit fortschreitender Erkrankung verstärken sich die negativen Effekte für die Betroffenen und die Einschränkungen werden größer. Das Kurzzeitgedächtnis nimmt stark ab und selbst jüngste Ereignisse werden vergessen. Dies äußert sich zum Beispiel darin, dass Betroffene häufig in kurzen Abständen dieselben Fragen stellen. Ebenso wird das Namensgedächtnis schwächer und der Kontakt und der Austausch mit Mitmenschen lassen mehr und mehr nach. Betroffene verlieren selbst in ihren eigenen vier Wänden die Orientierung und beginnen, orientierungslos umher zu wandern. Generell sind deutliche Verhaltensänderungen erkennbar. Auch ist es wahrscheinlich, dass Betroffene in dieser Phase physische Unterstützung benötigen, beispielsweise bei der Körperpflege.

Je weiter sich die Demenz entwickelt, desto größer wird der Grad an Abhängigkeit und Behinderung. Die kognitiven Fähigkeiten sind extrem stark eingeschränkt und Gedächtnisstörungen schwerwiegend. Erkrankte Personen erkennen selbst nächste Verwandte und Freunde nicht. Das Zeitgefühl hat stark abgenommen und betroffene wissen nicht, wo sie sich gerade befinden. Auch die körperliche Abhängigkeit nimmt in der Regel stark zu. Bewegungen werden langsamer und das Gehen erschwert. Der Bedarf an Pflege nimmt in dieser Phase ebenfalls zu. Diese kann jedoch durch Verhaltensänderungen und teilweise gesteigertem Aggressionspotenzial der Betroffenen sehr herausfordernd und anspruchsvoll sein. 

Behandlung von Demenz

Bis zum heutigen Tag existiert kein Verfahren, um Demenz zu heilen oder den Verlauf der Krankheit entscheidend aufzuhalten. Allerdings forschen weltweit zahlreiche Institutionen daran, Demenz zu bekämpfen.

Wichtig sind daher zum einen das Bewusstsein für Demenz, Kenntnisse über die Krankheit sowie der richtige Umgang mit ihr. Eine frühe Diagnose ist dabei ebenso hilfreich wie die enge Einbindung und Informationsversorgung von Ärzten und Pflegepersonal. 

Zudem kann Prävention eine wichtige Rolle spielen. Die wissenschaftlichen Fortschritte im Bereich der Diagnose und Früherkennung haben dazu geführt, dass zumindest in westlichen Ländern das Risiko, an Demenz zu erkranken, gesunken ist.

Zwar sind zumeist ältere Menschen über 65 Jahre von Demenz betroffen, jedoch tritt die Krankheit auch bei jüngeren Personen auf und wird von verschiedenen Faktoren gefördert.

So zeigen Studien, dass Menschen ihr Risiko, an Demenz zu erkranken, senken können, indem sie sich ausreichend bewegen, nicht rauchen, Alkohol maßvoll konsumieren, nicht übergewichtig sind, sich gesund ernähren und auf ihre allgemeine Gesundheit achten. Auch psychische Einflüsse wie Einsamkeit, kognitive Inaktivität oder Depressionen sind Risikofaktoren.

Eine aktuelle Studie von 2019 aus Taiwan zeigt außerdem erneut, welche Bedeutung Hörverlust im Zusammenhang mit Demenz besitzt.

So erhöhen Schwerhörigkeit und Hörverlust das Risiko, an Demenz zu erkranken. Dies gilt insbesondere bei Menschen fortgeschrittenen mittleren Alters. Die Forscher stellten bei der Untersuchung von rund 16.000 Menschen fest, dass insbesondere Personen zwischen 45 und 64 Jahren einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt sind, später an Demenz zu erkranken, wenn sie hörbeeinträchtigt sind. Bei der Vergleichsgruppe, also Menschen ohne Hörprobleme, trat die Krankheit wesentlich seltener auf. Schwerhörigkeit wird von den Forschern als eine der bedeutendsten Risikofaktoren für Menschen im mittleren Lebensalter genannt.

Der Zusammenhang von Hörverlust und Demenz

In einer breit angelegten Studie mit dem Titel „Association of Hearing Loss With Dementia“ (2019) untersuchen die beiden Forscher Chin-Mei Liu und Charles Tzu-Chi Lee den Zusammenhang zwischen Hörverlust und dem späteren Auftreten von Demenz in der taiwanesischen Bevölkerung. Für ihre Kohortenstudie greifen die beiden auf Daten der National Health Insurance Research Database of Taiwan zurück. Sie vergleichen dabei 8.135 Personen, bei denen im Zeitraum vom 01. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2011 Hörverlust diagnostiziert wurde, mit einer Kontrollgruppe bestehend aus ebenfalls 8.135 Personen, die nicht von Hörverlust betroffen waren. Kurzfristiger Hörverlust, der weniger als 1 Jahr andauerte, wurde nicht berücksichtigt beziehungsweise nicht als solcher gewertet. 9.286 Teilnehmer waren Männer (57,1 Prozent), 6.984 Frauen (42,9 Prozent). Das Durchschnittsalter der Probanden lag bei 65,2 Jahren. Unter den beiden Gruppen „Hörverlust“ und „Kein Hörverlust“ war die Aufteilung nahezu genauso. 

Die Autoren berücksichtigten dabei diverse Kontrollvariablen und Störfaktoren. Neben demografischen Daten wie Alter, Geschlecht, Herkunft oder Versicherungsschutz flossen auch verschiedene speziellere, mit Demenz in Verbindung stehende Faktoren ein. Die Autoren nennen hier: 

„coronary artery disease (ICD-9-CM codes 410-415), cerebrovascular disease (ICD-9-CM codes 362.34 and 430-438), chronic obstructive pulmonary disease (ICD-9-CM codes 491, 492, 494, and 496), types 1 and 2 diabetes (ICD-9-CM codes 250 and 251), chronic kidney disease (ICD-9-CM codes 580-589), hypertension (ICD-9-CM codes 401-405), hyperlipidemia (ICD-9-CM code 272), anxiety (ICD-9-CM codes 300.0, 300.01, 300.02, 300.2, 300.21, 300.23, and 300.3), depression (ICD-9-CM codes 311, 296.2, 296.3, 296.82, 293.83, and 300.4), alcohol-related illness (ICD-9-CM codes 291, 303, 305.0, 571.0, 571.1, 571.2, 571.3, 790.3, A215, and V11.3), head injury (ICD-9-CM codes 800-804, 850-852, 853.1, 853.2, 854.0, 854.1, A290-291, and A470), rheumatoid arthritis (ICD-9-CM code 714), and asthma (ICD-9-CM code 493).“ (Liu, Chin-Mei; Lee, Charles Tzu-Chi 2019, S. 3)

Von den insgesamt 16.270 Teilnehmern der Studie erkrankten 1.868 an Demenz. Dabei erkrankten mehr Personen an Demenz, die zuvor an Hörverlust litten (1.094, also 58,6 Prozent). Von den Teilnehmern ohne Hörverlust erkrankten 774 an Demenz, was 41,4 Prozent aller Erkrankten entspricht. Dies bedeutet: Von den an Hörverlust leidenden Teilnehmern erkrankten 19,38 pro 1.000 Personen-Jahre an Demenz, bei der Kontrollgruppe waren es 13,98 pro 1.000 Personen-Jahre. Unter Anwendung der Kaplan-Meier-Analyse stellten die Autoren so einen signifikanten Unterschied zwischen den zwei Gruppen fest.

Auch unter Berücksichtigung der Kontrollvariablen wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Hörverlust und der Erkrankung an Demenz festgestellt. Besonders stark war der Zusammenhang dabei bei der Gruppe der 45 bis 64 jährigen. Auch wenn die betrachtete Studie in bestimmten Punkten an Grenzen stößt, zeigt sie doch die besondere Rolle von Hörverlust für Demenz und liefert interessante Erkenntnisse.  

Frühere Studien konnten so bestätigt werden (vgl. Ford et al. 2018; Thomson et al. 2017).  Uhlmann et al. (1989) wiesen bereits vor vielen Jahren auf den signifikanten Zusammenhang zwischen Hörbeeinträchtigung und Demenz hin. Ähnliches gilt für Zheng et. al. (2017). Sie kommen in ihrer Meta-Analyse zu dem Ergebnis, dass Hörverlust signifikant das Risiko erhöht, später an Demenz zu erkranken.  

Generell sind allen Studien gewisse Grenzen gesetzt. Bei den Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Hörverlust und Demenz wir dabei stets die Schwierigkeit erwähnt, die Kausalität nachzuweisen. Auch die präzise Diagnose von Demenz stellt die Forscher vor Herausforderungen.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Hörverlust mittlerweile als einer der größten Risikofaktoren für Demenz angesehen wird.

Wie Hörgeräte helfen können    

Warum Schwerhörigkeit Demenz fördert, ist noch nicht vollständig geklärt. Hörverlust führt jedoch dazu, dass Menschen Probleme haben, Unterhaltungen zu folgen, insbesondere in Umgebungen mit diffuser Geräuschkulisse. Die Kommunikation mit Mitmenschen wird schwieriger, was zu sozialer Isolation, schlechter Stimmung und im schlimmsten Fall Depression führen kann, die wiederrum das Risiko von Demenz verstärkt. Menschen mit Hörbeeinträchtigung haben weniger Teilhabe am Sozialleben und somit weniger Input und Impulse. Sie werden kognitiv weniger gefordert. Grundsätzlich gilt also, dass das Entstehen von Demenz gefördert wird, wenn akustische Reize fehlen (vgl. Dawes et al. 2015; Uhlmann et al. 1989).

Hörgeräte und in extremeren Fällen Cochlea Implantate (Hörprothesen für Gehörlose, deren Hörnerv als Teilorgan noch aktiv ist) können genau hier ansetzen. Studien haben gezeigt, dass Hörgeräte die soziale Interaktion zu Mitmenschen fördern und positive Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit ihrer Träger haben (vgl. Hughes et al. 2018; Dawes et al. 2015).

Eine Maßnahme kann und sollte daher sein, möglichst früh nach der Diagnose von Hörverlust auf Hörgeräte zurückzugreifen, möglichst schon in jungem Alter. Je kürzer der zeitliche Abstand zwischen dem Einsetzen des Hörverlusts und der Verwendung eines Hörgeräts ist, desto geringer ist der Verlust geistiger Leistungsfähigkeit. Zudem fällt die Gewöhnung an ein Hörgerät leichter, wenn der Hörverlust noch nicht zu groß ist. Menschen mit Hörverlust haben jedoch häufig Hemmungen, auf Hörhilfen zurückzugreifen, da Hörgeräte gesellschaftlich noch nicht das Standing besitzen wie beispielsweise Brillen. Oft assoziieren Menschen mit Hörgeräten das Älterwerden. Dabei tragen Hörgeräte entscheidend zu einer Verbesserung der Lebensqualität bei. Die Wirkung von Hörgeräten wird häufig unterschätzt. Zudem werden die Geräte immer kleiner und sind von Dritten teilweise kaum zu erkennen. Die Designs der Hörgeräte passen sich darüber hinaus immer mehr den hohen Erwartungen der Träger und Konsumenten an.

Der positive Einfluss von Hörgeräten als Präventivmaßnahme gegen Demenz sollte für alle an Hörverlust leidenden Menschen ein zusätzlicher Anreiz sein, möglichst früh auf ein Hörgerät zurückzugreifen.      

 

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Quellen:

Dawes, Piers/ Emsley, Richard/ Cruickshanks, Karen J./ Moore, David R./ Fortnum, Heather/ Edmondson-Jones, Mark/ McCormack, Abby/ Munro, Kevin J. (2015): Hearing loss and cognition: the role of hearing aids, social isolation and depression. PLoS One. 2015;10(3)

Ford, Andrew H./ Hankey, Graeme J./ Yeap, Bu B./ Golledge, Jonathan/ Flicker, Leon/ Almeida, Osvaldo P. (2018): Hearing loss and the risk of dementia in later life. Maturitas. 2018;112:1-11.

Hughes, Sarah/ Hutchings Hayley/ Rapport, Frances/ McMahon Catherine/ Boisvert, Isabelle (2018): Social connectedness and perceived listening effort in adult cochlear implant users: a grounded theory to establish content validity for a new patient-reported outcome measure. Ear Hear. 2018;39(5):922-934.

Liu, Chin-Mei/ Lee, Charles Tzu-Chi (2019): Association of Hearing Loss With Dementia, JAMA Network Open. 2019;2(7)

Thomson, Rhett S./ Auduong, Priscilla/ Miller Alexander T./ Gurgel, Richard K. (2017): Hearing loss as a risk factor for dementia: a systematic review. Laryngoscope Investig Otolaryngol. 2017;2(2):69-79

Uhlmann Richard F./ Larson Eric B./ Rees Thomas S./ Koepsell Thomas D./ Duckert Larry G.: Relationship of Hearing Impairment to Dementia and Cognitive Dysfunction in Older Adults. JAMA. 1989;261(13):1916–1919.

Zheng, Yuqiu/ Fan, Shengnuo/ Liao, Wang/ Fang, Wenli/ Xiao, Songhua/ Liu, Jun (2017): Hearing impairment and risk of Alzheimer´s disease: a meta-analysis of prospective cohort studies. Neurological Sciences, Vol. 38, 233-239.