Die mechanischen Eigenschaften von Elastomeren und ihre Prüfung
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Welche Kriterien bei der Auswahl des für einen bestimmten Einsatz geeigneten Kautschuks berücksichtigt werden müssen, wurde im vorigen Blogeintrag (Wie entsteht ein Gummiformteil? Ein Blog über die Welt der Elastomere) beschrieben. Bei vielen Anwendungen spielen dabei die mechanischen Eigenschaften des eingesetzten Gummiteils eine wichtige Rolle.
Daher möchten wir in diesem Beitrag die unterschiedlichen Charakteristika von Kautschuken näher beschreiben und zudem erläutern, wie diese geprüft werden.
Um Materialen und deren Eigenschaften miteinander vergleichen zu können, müssen weitläufig die gleichen Prüfmethoden zugrunde gelegt werden. Als Standards haben sich hierbei weltweit die Vorschriften des Deutschen Instituts für Normung (DIN) sowie des amerikanischen ASTM International etabliert. Die Prüfungen selbst werden aus Gründen der Vergleichbarkeit der Ergebnisse zumeist an Normprüfkörpern bei Raumtemperatur durchgeführt.
Härte
Eine wichtige Eigenschaft eines Gummiformteils ist dessen Härte. Die Härte ist dabei definiert als der Widerstand, den ein (Gummi-)Körper dem Eindringen eines anderen härteren Körpers entgegensetzt. Härteprüfgeräte sind dabei so aufgebaut, dass eine spezielle Nadel durch eine Feder für eine bestimmte Zeit auf die Oberfläche des Elastomers drückt. Je tiefer die Nadel dabei in den Gummi eindringt, desto weicher ist er. Die Härteskala umfasst dabei einen Bereich von 0 bis 100.
Für die Härtemessung eines Elastomers gibt es die Standardprüfverfahren Shore A und IRHD (International Rubber Hardness Degree), die sich hinsichtlich des Aufbaus des Prüfgeräts, der Kontur der Eindring-Nadel und der zu verwendenden Probekörper unterscheiden.
Das Prüfverfahren Shore A ist sehr weit verbreitet. Härteangaben von Gummi-Materialien sind sehr oft in Shore A (ShA) angegeben. Die Messung erfolgt an einem Normprüfkörper. Der Prüfkörper soll glatt sein und eine Dicke von mindestens 6mm sowie einen Durchmesser von mindestens 35mm aufweisen. Mittels des Verfahrens Shore A sind Messungen im Härtebereich von 10 bis 90 möglich, wobei die Messdauer bei 3 Sekunden liegt. Für härtere Materialien wird das Verfahren Shore D verwendet. Die Prüfverfahren sind zum Beispiel in den Normen DIN 53505, ISO 7619 und ASTM D 2240 beschrieben.
Möchte man die Härte nach IRHD bestimmen, muss man vier verschiedene Verfahren unterscheiden: IRHD N (normale Härte), IRHD H (hohe Härte), IRHD L (geringe Härte) und IRHD M (Mikrohärte). Typischerweise kommt dabei das Verfahren IRHD M zum Einsatz, das grundsätzlich eine Fassung des Verfahrens IRHD N ist, aber das Prüfen dünnerer, kleinerer Körper ermöglicht. Der Normprüfkörper muss zwischen 1,5mm und 2,5mm dick sein. Vorteil des Verfahrens nach IRHD M ist, dass auch Fertigteile geprüft werden können. Diese können auch außerhalb des Bereichs von 1,5mm bis 2,5mm liegen, dürfen aber aufgrund des Aufbaus der Prüfnadel nicht dünner als 1,00mm sein. Zu beachten ist, dass bei Prüfungen an Fertigteilen die Ergebnisse in den meisten Fällen nicht mit Prüfungen an Normprüfkörpern übereinstimmen. Der Härtebereich, der mit dem IRHD M Verfahren gemessen werden kann, liegt zwischen 30 und 90. Eine Messung dauert dabei 30 Sekunden. Die zugrunde liegenden Normen sind die DIN ISO 48 und ASTM D 1415.
Da Härtemessungen nach Shore A und IRHD M auf unterschiedliche Verfahren basieren, sind die Messergebnisse nicht gleich und es existieren auch keine Relationen zur Umrechnung. Grundsätzlich stimmen die Messergebnisse aber relativ gut überein. In härteren Bereichen liefert IRHD M zumeist höhere Werte.
Mittlerweile wurden auch Geräte entwickelt, die eine Shore-Härtemessung an Fertigteilen ermöglichen. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass auch fertige Gummiteile aus weichen Materialien gemessen werden können, die unter der IRHD M-Grenze von 30 liegen.
Reißfestigkeit (Zugfestigkeit)
Die Elastizität von Gummiteilen ist in vielen Anwendungen von großer Bedeutung. Um ein Elastomer-Formteil zu zerreißen, ist eine bestimmte Kraft notwendig. Die Kraft, die benötigt wird, um einen Normprüfkörper zu zerreißen, wird dabei als Reißfestigkeit oder Zugfestigkeit bezeichnet. Die entsprechenden Prüfungen werden mit einer Zugprüfmaschine durchgeführt, die die entsprechende Kraft misst. Die Reißfestigkeit (Zugfestigkeit) wird in N/mm² (=MPa) angegeben. Das Prüfverfahren wird in den Normen ISO 37, der nahezu identischen DIN 53504 sowie der amerikanischen ASTM D 412 beschrieben.
Reißdehnung (Bruchdehnung)
Als Reiß- oder Bruchdehnung bezeichnet man die Längenausdehnung eines Probekörpers bis zu dessen Zerreißen. Sie wird dabei als Längenänderung in Prozent der Länge des ursprünglichen Probekörpers angegeben. Eine Reißdehnung (Bruchdehnung) eines Materials von 300 Prozent bedeutet also, dass der Probekörper um 300 Prozent seiner Länge gedehnt wurde, bis es zum Bruch kam. Die Normen sind wie bei der Reißfestigkeit (Zugfestigkeit) die ISO 37, DIN 53504 und ASTM D 412.
Spannungswert
Um einen Prüfkörper zu dehnen, ist eine bestimmte Kraft in N/mm² (MPa) notwendig. Diese Kraft wird als Spannungswert bezeichnet. Der Spannungswert wird dabei bei verschiedenen Dehnungen angegeben, also zum Beispiel Spannungswert 100% oder Spannungswert 200%. Der Prüfung des Spannungswerts liegen dieselben Normen zugrunde wie der Reißfestigkeits- und Reißdehnungsprüfung.
Weiterreißwiderstand
Als Weiterreißwiderstand wird die Kraft bezeichnet, die ein angerissen Gummiteil dem Weiterreißen entgegensetzt. Dies kann zum Beispiel bei Elastomer-Membranen für Membranpumpen von Bedeutung sein.
Die Ermittlung des Weiterreißwiderstands erfolgt grundsätzlich mithilfe einer Zugmaschine. Es stehen zwei alternative Prüfmethoden zur Verfügung, die sich hinsichtlich der Geometrie der Prüfkörper unterscheiden.
Bei der Streifenprobe (DIN 53507 oder ISO 34-1 – Methode A) wird ein Elastomer-Streifen entsprechend der Norm angeschnitten und geprüft, welche Höchstkraft zum weiteren Einreißen benötigt wird. Das Ergebnis wird in N/mm festgehalten.
Bei der Winkelprobe (DIN 53515 oder ISO 34-1 – Methode B) wird ein winkliger Elastomer-Prüfkörper an dessen Winkel eingeschnitten, gezogen und dann sein Weiterreißwiderstand gemessen. Die Einheit ist ebenfalls N/mm.
Es gibt auch Prüfungen an nicht eingerissenen Winkel-Prüfkörpern und nierenförmigen Prüfkörpern. Die amerikanische Norm hierzu lautet ASTM D 624.
Vergleichbar sind die Ergebnisse dabei nur, wenn sie nach derselben Norm durchgeführt wurden. Die Werte, die man bei der Prüfung an Prüfkörpern erhält, lassen dann einen Vergleich unterschiedlicher Gummimischungen zu. Wichtig zu beachten ist, dass man allerdings keine Rückschlüsse darauf ziehen kann, wie sich ein vom Normprüfkörper abweichendes Gummiformteil unter Einsatzbedingungen hinsichtlich des Weiterreißwiderstands verhält.
Druckverformungsrest
Als Druckverformungsrest wird die Restverformung bezeichnet, die ein Gummiteil oder Elastomer-Prüfkörper im Vergleich zu seiner Ursprungshöhe nach längerer Druckbelastung verformt bleibt. Drückt man ein Gummiteil oder einen Prüfkörper über einen längeren Zeitraum zusammen, wird er sich nach Beendigung des Drucks nicht komplett in seinen Ausgangszustand zurückbilden. Es verbleibt eine Restverformung (Druckverformungsrest). Der Druckverformungsrest wird in Prozent angegeben. Das Ergebnis sagt aus, um wieviel Prozent sich ein verformter Elastomer-Körper nach Beendigung der Verformung nicht mehr in den Ursprungszustand zurückbildet. Gerade im Bereich von Dichtungen kommt dem Druckverformungsrest eine hohe Bedeutung zu. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Dicke des zu prüfenden Körpers, die zusammengedrückte Strecke, die Dauer der Belastung und die dabei vorherrschende Temperatur.
Um verschiedene Kautschuke und Elastomer-Mischungen hinsichtlich des Druckverformungsrests vergleichen zu können, existieren Normen bezüglich eines einheitlichen Prüfprozesses. Diese einheitlichen Prüfverfahren sind zum Beispiel beschrieben in der ISO 815, DIN 53517 oder der ASTM D 395.
In der Regel wird bei der Prüfung ein zylinderförmiger Probekörper mit der Höhe H0 um 25% seiner Höhe über einen längeren Zeitraum in zwei Stahlplatten mit glatter, polierter Oberfläche gespannt und so verformt. Die Höhe des Körpers bei der Druckbelastung wird an der Stelle als H1 (=Höhe des Abstandshalters zwischen den Stahlplatten) bezeichnet. Anschließend wird der Druck gelöst und es verbleibt eine Resthöhe H2 des entspannten Körpers.
Die Formel zur Berechnung des Druckverformungsrests lautet:
Die vorherrschenden Temperaturen und die Messdauer können sich von Prüfung zu Prüfung unterscheiden. So wird zum Beispiel geprüft bei:
100° C / 24 Std.
70° C / 24 Std.
175° C / 22 Std.
175° C / 24 Std.
200° C / 70 Std.
Die Prüfbedingungen sind stets auf den Datenblättern der Werkstoffe angegeben. Vergleichbar sind dabei nur Werte und Gummi-Mischungen, die unter den gleichen Bedingungen geprüft wurden.
Rückprallelastizität
Das Elastizitätsverhalten von Elastomeren wird mit der Rückprallelastizität gemessen. Hierbei wird ein schwingendes Pendel, an dem ein halbförmiger Hammer montiert ist, in einem Winkel von 90° fallengelassen. Das Pendel prallt dabei auf einen Elastomer-Prüfkörper auf. Aus dem Weg, den das Pendel nach Aufprall zurückschwingt, wird die Rückprallelastizität des Gummis berechnet.
Die Rückprallelastizität wird in Prozent angegeben. Je höher der Prozentwert, desto mehr Energie gibt die Gummiprobe wieder ab und desto weiter schwingt das Pendel zurück. Eine niedrige Rückprallelastizität kann gleichzeitig zur Beurteilung der Dämpfungseigenschaften einer Kautschukmischung betrachtet werden.
Die exakten Prüfvorgänge sind in den Normen ISO 4662 oder der nahezu identischen DIN 53512 sowie der amerikanischen ASTM D 1054 erläutert.
Elastomere mit guten mechanischen Eigenschaften
Die verschiedenen verfügbaren Kautschuke bzw. Elastomere unterscheiden sich deutlich in den oben beschriebenen mechanischen Eigenschaften. Selbst innerhalb einer Kautschukklasse können Mischungen hergestellt werden, die zu erheblichen unterschiedlichen Werten führen.
Hinzu kommt, dass sich die mechanischen Eigenschaften eines Elastomers sehr abhängig sind von der Umgebungstemperatur. Steigt die Umgebungstemperatur, so sinken die mechanischen Eigenschaften vieler Gummisorten deutlich. Gleichzeitig spielt im Auswahlprozess neben den mechanischen Eigenschaften häufig die chemische Beständigkeit eines Elastomers eine wichtige Bedeutung. Es ist oft der Fall, dass ein Material bei der Auswahl trotz exzellenter mechanischer Eigenschaften nicht in Frage kommt, da die gewünschte chemische Beständigkeit nicht gegeben ist.
Es ist also schwierig, eine allgemeingültige Aussage zu treffen. Dennoch möchten wir an der Stelle im Folgenden gleich eine Orientierung bieten.
Reißfestigkeit (Zugfestigkeit): Als Werkstoffe mit hoher Reißfestigkeit gelten Naturkautschuk (NR), Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Chloropren-Kautschuk (CR) und Nitril-Kautschuk (NBR) bzw. dessen hitzebeständigere Variante HNBR (hydrierter Nitril-Kautschuk). Auch Polynorbornen-Kautschuk (PNR, besser bekannt unter dem Handelsnamen Norsorex ®) weist gute Werte auf.
Reißdehnung (Bruchdehnung): Was die Reiß- bzw. Bruchdehnung betrifft, überzeugen Butyl (IIR) und Naturkautschuk (NR). Ähnlich wie bei der Reißfestigkeit sind auch bezüglich der Reißdehnung Polynorbornen-Kautschuk (PNR), Chloropren-Kautschuk (CR), Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) und Nitril-Kautschuk (NBR) bzw. HNBR sehr gute Materialien.
Weiterreißwiderstand: Einen guten Widerstand gegenüber dem Weiterreißen eines angerissenen Gummiteils besitzen Naturkautschuk (NR) und Chloropren (CR).
Druckverformungsrest (DVR): Einen exzellenten Druckverformungsrest weisen Silikon (VMQ oder Flüssigsilikon LSR) sowie Fluorsilikon (FVQM) auf. Selbiges gilt für Fluorkautschuke wie FKM (Viton®) oder FFKM (Kalrez®), solange die Einsatztemperaturen nicht zu niedrig sind. Auch Butyl (IRR) und vor allem EPDM (bei peroxidischer Vernetzung) zeigen niedrige und damit gute Druckverformungsreste und werden gerne als Werkstoffe für Dichtungen eingesetzt.
Rückprallelastizität: Die beiden Materialien Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM) und Naturkautschuk (NR) besitzen eine hohe Rückprallelastizität. Eine niedrige Rückprallelastizität weisen FKM (Viton®), Butyl (IRR), Fluorsilikon (FVQM) sowie PNR (Norsorex ®) auf. Damit sind diese Materialien sehr interessant für Anwendungen, in denen gute Dämpfungseigenschaften gefragt sind.
Wie oben angedeutet haben Faktoren wie die Einsatztemperatur einen großen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften eines Gummiteils oder Materials. So besitzt Naturkautschuk (NR) sehr gute Werte hinsichtlich der Reißfestigkeit, Reißdehnung und des Weiterreißwiderstands, hat aber nur eine Wärmebeständigkeit bis ca. 70° C. Silikon (VMQ) oder Flüssigsilikon (LSR) hingegen behalten ihre mechanischen Eigenschaften über ein sehr breites Temperaturspektrum und sind daher weit verbreitet. Ein häufig verwendeter Allround-Werkstoff ist auch EPDM.
Bei der (Vor-)Auswahl des passenden Werkstoffs für eine bestimmte Anwendung ist es daher hilfreich, sich von Spezialisten beraten zu lassen. Möglicherweise muss eine Mischung dann noch an die Anforderungen angepasst werden. Vor Einsatz in der finalen Anwendung sollten zuvor noch Versuche mit dem Fertigteil unternommen werden, um über die endgültige Eignung eines Werkstoffs urteilen zu können.
Wenn Sie noch Fragen zu diesem Blogpost haben oder möchten, dass demnächst ein bestimmtes Themengebiet rund um Elastomere behandelt wird, melden Sie sich gerne bei uns per E-Mail unter info@hepako.de
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